Zum 9. November: Wahrheit für die gleiche Würde aller (Beschluss von StuPa und Akademischem Senat)

Zum 9. November: Wahrheit für die gleiche Würde aller (Beschluss von StuPa und Akademischem Senat)

Auf Initiative von Aktiven des Bündnis für Aufklärung und Emanzipation und uns hat der Akademische Senat am 12. Oktober den Antrag „Zum 9. November: Wahrheit für die gleiche Würde aller“ (SV SV XXVIII/805/69) beschlossen. Das Studierendenparlament schloss sich diesem Beschluss in seiner Sitzung vom 19.10.2023 nach Streichung des letzten Satzes an.


Was am Ausgang dieses Krieges stehen muß und wird, ist klar. Es ist der Beginn einer
Weltvereinigung; die Schaffung eines neuen Gleichgewichts von Freiheit und Gleichheit; die
Wahrung der individuellen Werte im Rahmen der Forderungen des kollektiven Lebens; der
Abbau der nationalen Staatssouveränität und die Errichtung einer Gesellschaft freier, aber
der Gesamtheit verantwortlicher Völker mit gleichen Rechten und Pflichten.
Die Völker sind reif für eine solche Neuordnung der Welt.“
Thomas Mann, „Deutsche Hörer!“, Radioansprachen nach Deutschland (1940-1945), November 1940.


Wissenschaft und Bildung für die Würde aller Menschen ist die leitende Idee des Lernens, Lehrens und Forschens an der Universität Hamburg. Im Lichte gegenwärtiger Krisen und Kriege, die die menschliche Zivilisation gefährden, bekräftigen wir: Die Universität Hamburg wirkt für die Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen – beginnend mit der Überwindung der Armut, über den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen bis zur Errichtung eines gerechten Friedens, geprägt von demokratischem Engagement und globaler Partnerschaft.


Wir erinnern an die Pogromnacht vom 9. 11. 1938, mit der die Nazis die gesellschaftliche Brutalisierung zum Raub- und Vernichtungskrieg unübersehbar verschärften. Direkt neben der Universität, auf dem heutigen Joseph-Carlebach-Platz, wurde die Synagoge geschändet. Menschen wurden beraubt, misshandelt, verschleppt und ermordet. Doch der Sturz in die Barbarei begann bereits früher: In einer umfassenden Krise der Gesellschaft und Ökonomie wurden Elitarismus, Ressentiment, autoritäre Staatlichkeit, Militarismus und Rassismus gesteigert. Es war im Interesse der Eliten aus Wirtschaft, Militär
und Großgrundbesitz, dass die Nazis gegen „Sündenböcke“ hetzten.


Spätestens mit der Machtübertragung an die NSDAP 1933 wirkte dies auch an der Universität Hamburg massiv. Es begann die offene Verfolgung und Vertreibung zahlreicher Mitglieder, deren jüdische Herkunft bzw. progressive, humanistische Haltung zum Vorwand genommen wurden, sie auszumerzen. Dass sie vertrieben werden konnten, hatte eine Ursache in einem eklatanten Mangel an Zivilcourage unter Intellektuellen an den Universitäten. Sofern die Verfolgten überlebten, waren sie auf die Solidarität von Menschen in der ganzen Welt, auf Asyl und Widerstand angewiesen.

Das Recht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention sind direkte Folgerungen aus den Schrecken von 1933 bis 1945. Die Befreiung von der Nazi-Herrschaft war ein internationaler Wendepunkt. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und das Grundgesetz setzen die gleiche Würde aller Menschen an die erste Stelle. Die neuen völkerrechtlichen Bindungen für Frieden, soziale und nachhaltige Entwicklung und Entfaltung aller Menschen demonstrieren den erreichbaren Horizont menschlicher Gestaltung. Die erkennbaren Ähnlichkeiten der Gegenwart mit historischen Krisen gemahnt uns zur couragierten Intervention für echte Problemlosung durch Völkerverständigung, kooperative soziale Entwicklung, kritische Kreativität, demokratische Dynamik und eine Kultur der Gleichheit. Wir wollen die Erkenntnisse und Errungenschaften der Menschheit durch Bildung, Wissenschaft für eine tiefgreifende Humanisierung der Welt erweitern und nutzbar machen. „Nie wieder!“ wird zum „Jetzt erst recht!“


Der Akademische Senat ruft alle Mitglieder der Universität Hamburg zur Teilnahme an Veranstaltungen und Kundgebungen zur Erinnerung an die Reichspogromnacht auf.